Sırı
Sırı
Bevor die Welt ins Dasein trat,
im verborgenen Geheimnis der Nichtexistenz,
war ich allein mit Hak
in seiner Einzigkeit.
Er schuf die Welt, denn damals formte ich das Bild von ihm;
ich der Entwerfer.
Ich wurde eingehüllt in Gewänder,
gemacht aus den Elementen.
Ich machte meine Erscheinung
aus Feuer, Luft, Erde und Wasser.
Ich kam in die Welt
mit dem besten der Menschen.
Ich hatte sogar das gleiche Alter wie Adam.
Ich kam als Seth aus den Lenden Adams.
Als Prophet Noah betrat die Flut.
Einst wurde ich Abraham in dieser Welt.
Ich baute das Haus Gottes,
ich trug die Steine.
Ich erschien einstens ats Isrmael, o Seele.
Ich wurde einst Isaak, Jakob, Josef.
Ich wurde Hiob,
schrie auf nach Gnade.
Würmer fraßen meinen Körper,
ich war in bitterer Klage.
Sie zerhauten mich in zwei Stücke
gemeinsam mit Zacharias.
Mit Johannes zerspritzten sie
mein Blut auf den Boden
Ich kam als David,
groß war meine Gefolgschaft
Oft trug ich das Siegel Salomons.
Den gesegneten Stab gab ich Moses.
Ich wurde der Heilige Geist
und kam zu Maria.
Ich wurde Führer für alle Heiligen.
Für Gabriel, den Getreuen
war ich der rechthandige Gefährte.
Aus den Lenden meines Vaters
kam Ahmed der Erwählte,
das zweispitzige Schwert kam rechtzeitig von
denen, die auf dem Wege führen.
Bevor die Welt da war,
war ich ein Freund dem Haus Mohammed-Ali ,
als Slave war ich Mitteilhaber
des Geheimnisses mit Gott.
Viel sann ich nach in mir selbst.
Ohne ein Wunder zu schauen,
kam ich zum Glauben.
Mit dem Fürsten der Helden
ritt ich auf Düldül.
Ich band um den Zülfikar trug das Schwert.
Saft wurde getrunken
vom Wein des Paradiesbaumes.
Die Zeromonie der Versammlung wurde gehalten.
Wir hatten Kameradschaft miteinander.
Das Geheimnis der Wahrheit wurde aufgeöffnet.
Ich trug mancherlei Geheimnisse, die ich empfing,
Rechte Leitung kam zu uns von Gott.
Wir alle huldigten dem Gottesapostel.
Er gab uns Nachrichten
von der Reise in Gott.
Ich war Teilhaber des Geheimnisses
mit dem Fürsten der Helden.
Ich kam in die Bahn
des Zyklus-Schaffens dieser Welt.
Ich betrat die Riten
am Platze der Vierzig.
Ich wurde gegürtet vom Fürsten der Heiligkeit.
Ich war Kamerad von Salmani Pak.
Dankvoll gewann ich, was ich suchte.
Ich wurde die Rose.
Ich schrie heraus zur Nachtigall.
Wir versammelten uns an einem Ort
mit der Sippe des Hauses (Mohammed-Ali).
Ich wurde Teppichleger
am Platze der Vierzig.
Wir machten unser Bekenntnis.
Wir wurden alle auf den Weg gesetzt.
Wir enthüllten keinen Geschöpf das Geheimnis.
Zusammen mit Imam Hüseyin in Kerbela
säuberte ich den Gewandsaum,
ich wurde befleckt.
Zu dieser Welt des >>Vernichtetwerdens in Gott <<
bin ich oft gekommen und gegangen.
Ich regnete mit dem Regen
und ich wuchs als Gras.
Ich leitete richtig das Land Anatolien (Rum)
Ich war Bektasch,
der aus Horasan kam.
Zuweilen war ich Prophet,
zuweilen Heiliger.
Zuweilen erschien ich gesund-normal,
zuweilen töricht.
Zuweilen erschien ich als Ahmed,
zuweilen als Ali.
Niemand kennt mein Geheimnis,
ich war listig.
Nun ist der Lobpreis Gott,
Sırı, sagten Sie.
Ich kam, ich ging.
Sie wußten niemals mein wahres Selbst.
Mein Geheimnis hat keiner jemals erfaßt.
Zu allen Geschöpfen war ich Bruder.
Sırı: Alevitische Dervis, lebte im 18. Jahrhundert, starb im Jahre 1761
Erläuterung:
Im Text stecken zwei Theorien. Die eine ist die Emanationslehre. Aus Hak (der ersten Emanation) kommt die zweite Emanation, die >> Erste Universale Intelligenz <<, d.h. der Urlogos. Er ist zugleich menschlicher Urlogos bzw. enthält ihn. Aus der >> Ersten Intelligenz<< kommen alle weiteren Emanationsformen Gottes. Jeder Mensch ist in seinem Geist, in seinem Gehirn eine Kopie des Urmodells. des menschlichen Urlogos. Dieser konkretisiert sich, wird Gestalt in jedem Menschen, manifestiert sich im Menschen. Besonders gut gelungene Manifestationen des Urlogos sind die >> Großen Menschen <<, die Genies, die Supermenschen, die Übermenschen wozu die großen Propheten zählen. Das >> Ich << im Lyriktext ist der menschliche Urlogos, der sich in den genannten Propheten und Personen manifestiert, Daher ist der Satz möglich: >>Ich war Bektasch << oder >> Zuweilen erschien ich als Ahmed << (= Mohammed).
Die zweite Theorie ist die Lehre von der extremen Bewußtseinserweiterung des Menschen. Der Perfekte Mensch kann seinen Geist so ausdehnen, kann Raum und Zeit und die Begrenztheit des eigenen Körpers sprengen, so daß er mit dem Urlogos, mit den genannten Propheten und Personen identisch werden oder ihr Zeitgenosse werden kann. Daher wird solch ein Aussage klar; >> Ich wurde gegürtet vom Fürsten der Heiligkeit << (= Ali).
Das Haus Gottes (Beytullah) ist die Kaba zu Mekka, die von Abraham und Ismael erbaut wurde.
Der >> Heilige Geist <<, der Maria erschien und schwanger machte, wird als Menschengestalt, als realer Mensch definiert, da der menschliche Urlogos sich nich als Engel manifestieren kann.
Fürst der Helden ist Ali. Düldül ist sein Reittier. Zülfikar ist das Schwert Alis.
Rose und Nachtigall sind wahrscheinlich Hatice, die erste Frau des Propheten, und Fatima, seine einzige leibliche Tochter, die er mit Ali vermählte.
Hüseyin ist der Dritte Schiitische Imam, der am 10. Oktober 680 zu Kerbela mit einer kleinen Begleitschar von der Armee des Omayyadenkalifen Yasid massakriert wurde.
Ein besonderer Höhepunkt ist die Identifikation des Dichters mit dem Regen und mit dem Gras, d.h. mit der Natur, die sichtbare Gestaltung des göttlichen Urlogos ist. >>Zu allen Geshöpfen war ich Bruder <<, ein Satz, der sowohl die Emanationenlehre wie die Identifikationsmöglichkeit des Perfekten Menschen kombiniert.